16. März 2020 – ein Tag, der die österreichische Hochschullandschaft mit einem Schlag vor neue Herausforderungen stellte: Der Betrieb musste aufrechterhalten werden, vielerorts wurde auf digitale Lehre umgestellt. Fragen wie „Wie können wir große Lehrveranstaltungen mit vielen Studierenden umstellen?“ und „Haben wir überhaupt die technische Ausstattung für eine Umstellung auf Online-Formate?“ mussten schnellstmöglich beantwortet werden, insbesondere an Präsenzhochschulen und Universitäten. Was methodisch-didaktisch im universitären Bereich zum Teil über Nacht entstehen musste, war im hybriden Lehr- und Lernsetting der FernFH zu dieser Zeit bereits Standard. Vor dem Hintergrund der Pandemie zeichnet sich also ein neues Bild – aber wie wird dieses aussehen? Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Hochschulen von heute und morgen? Welche Learnings können wir aus der Vergangenheit ziehen?
Genau auf diese Fragen gingen Univ.-Prof. MMag. Dr.phil. Bettina Kubicek, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Graz, Prof. (FH) DI Dr. Martin Staudinger, Kollegiumsleiter sowie Studiengangsleiter des Bachelorstudiengangs Wirtschaftsinformatik an der FernFH und Ursula Höllhumer, BA MA, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Masterstudiengang Betriebswirtschaft & Wirtschaftspsychologie, näher ein und skizzierten im Rahmen der von Prof. (FH) Mag. Dr. Herbert Schwarzenberger moderierten Public Lecture „Logged In statt Locked Down“ die möglichen, zukünftigen Entwicklungen der Hochschulen. Werden sich die pandemiebedingten digitalen Transformationen durchsetzen und werden wir dadurch die Verzahnung analoger und digitaler Lehr- und Lernsettings auf Hochschulen beibehalten?
Um die Zukunft zu verstehen, benötigt es einen Blick zurück. In ihrem Impulsvortrag zeigt Ursula Höllhumer anhand evidenzbasierter Erkenntnisse aus dem EU-Raum sowie verschiedener Befragungen auf, was Studieren in Pandemiezeiten aus Sicht der Studierenden und Lehrenden bedeutet. Unter anderem führte sie in ihrem Vortrag das Lernen unter COVID-19 Bedingungen mit Daten aus Befragungen österreichischer Studierender der Universität Wien im Zeitraum von April 2020 bis Juli 2021 aus. So kommen 87,8% der Studierenden mit digitalen Lehr- und Lernformaten insgesamt gut zurecht, 45% präferieren eine Hybridform.
Ein ähnliches Bild lässt sich an der FernFH erkennen: Bei der Befragung in den Bachelorstudiengängen sehen Studierende die Umstellung auf 100% Online als gut gelungen und geben an, dass die reine Online-Lehre den Studienfortschritt gefördert bzw. keinen wesentlichen Einfluss hatte. Das Blended Learning Konzept als ursprüngliche Form der Fernlehre an der FernFH wünschen sich jedoch speziell Erstsemestrige in der Pandemiezeit zurück. „Analoge Settings bei Erstsemestrigen empfinde ich als wichtig, insbesondere bei Gruppensettings, denn dadurch bekommen sie mehr Gespür für die Gruppendynamiken. Das ist sicher ein Aspekt, der im Regelstudienbetrieb gefehlt hat.“, so Ursula Höllhumer aus der Perspektive als Lehrende. Was allerdings die Prüfungsform betrifft – in diesem Punkt sind sich die Studierenden einig: Verstärkt angebotene kompetenzorientierte Prüfungsformate wie Open-Book Prüfungen wurden von Studierenden als positiv empfunden und werden auch nach wie vor begrüßt. Bei Bachelorprüfungen lässt sich die Tendenz zur Vor-Ort Abwicklung bei den Studierenden der FernFH erkennen. „Eine zunehmende Digitalisierung muss keine Absage der Präsenz bedeuten.“, so Höllhumer.
Die Hochschulen im Jahr 2037
„Aufgrund der Entwicklungen ist ein Reflexionsprozess in Gang gesetzt worden, insbesondere bei den Lehrenden, beispielsweise die Frage, welche Inhalte tatsächlich wichtig und gut in Präsenz zu vermitteln sind und welche Inhalte man auch mittels anderer Formate vermitteln kann.“, erklärt Professorin Bettina Kubicek. Die bewusste Auseinandersetzung werde in ihren Augen dazu beitragen, dass auch Universitäten vermehrt auf Online-Angebote, die in den Präsenzunterricht integriert sind, gesetzt werden wird. Allerdings betont sie, dass an Universitäten auch in Zukunft die Präsenzlehre einen hohen Stellenwert haben wird.
„Ich denke, dass die Prüfungsformate bleiben und sich weiterentwickeln werden. In höheren Semestern wird man beispielsweise immer mehr dazu übergehen, überhaupt anders über Prüfungen zu denken und wie man am Ende die erworbene Kompetenz bewerten kann.“, so Kollegiumsleiter Martin Staudinger auf die Frage, was gekommen ist, um zu bleiben. Aus der Perspektive der Hochschule als Organisation betrachtet, sieht er ein Bestehenbleiben von Homeoffice bzw. Mobile Working an den Hochschulen mit dem großen Vorteil, mehr Personen in die Hochschule zu holen, da diese nicht vor Ort sein müssen. Zudem wird aus seiner Sicht auch der Austausch und die Zusammenarbeit der Institutionen intensiviert werden. Was die angebotenen Studien an Hochschulen betrifft, sieht Staudinger eine Wandlung in den kommenden 15 Jahren: „Es wird zu ‚Patchworkstudien‘ kommen. Die Studiengänge werden als strenger Rahmen ihre Bedeutung verlieren und wir werden uns immer mehr vom humboldschen Bildungsideal entfernen, insbesondere im Fachhochschul-Bereich.“ Es gehe darum, neue Wege zu beschreiten, neue Möglichkeiten zu finden und sich von Paradigmen zu verabschieden.
Womit sich Lehrende in Zukunft beschäftigen werden, ist für Ursula Höllhumer schon jetzt deutlich sichtbar: „Der Fokus wird vermehrt auf digitale Kompetenzen, Mediendidaktik und Medienkompetenz liegen, um Studierende mit verschiedenen, passenden und innovativen Formaten zu aktivieren, sodass sie selbst tätig werden. Lehrende werden in Zukunft gefordert sein, innovative Formate für mehr Interaktion zu schaffen, um Studierende weg vom Konsumieren und hin zum Selbstagierenden, aktiven Studierenden zu bewegen. Nur ein Video anzuschauen und in weiterer Folge Dinge abzuarbeiten, wird nicht funktionieren.“
Wie aus der Public Lecture hervorgeht, ist Distance Learning eine Art des Lernens und der Wissensvermittlung, die neben Herausforderungen auch Chancen eröffnet. Dabei muss Distance Learning nicht eine Ausweichmöglichkeit in Pandemiezeiten sein. Der beste Beweis hierfür, dass es auch anders geht: Seit 15 Jahren arbeiten wir in der Ferdinand Porsche FernFH erfolgreich mit dieser Methode, denn für uns ist sie nicht nur Plan B.
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