Bild: Symbolbild Gastvortrag zum Thema Kostenrechnung © Pixabay

Die Tücken der Kostenrechnung und wie man damit umgeht

Kosten denken statt Kosten rechnen? Prof. Dr. Wilfried Schneider deckte im Online-Gastvortrag die Tücken der Kostenrechnung in der Praxis auf.

Schlagzeile in der Zeitung Kurier, 2018: „Porr-Konsortium gräbt Tunnel für eine Milliarde.“ Die Rede war damals vom 50 kilometerlangen Bauabschnitt Pfons-Brenner des Projekts Brenner Basistunnels, bei der „wechselhafte geologische Gegebenheiten und beschränkte Platzverhältnisse besondere Herausforderungen darstellten“. Wie recht die Tageszeitung damals hatte, konnte zwei Jahre später festgestellt werden: Mehrkosten von zirka 100 Mio. Euro. Fortsetzung folgt… Dieses ist eines von vielen dramatischen Praxisbespielen, mit denen Prof. Dr. Wilfried Schneider bei seinem Online-Gastvortrag „Kostenrechnung ist nicht einfach“ die Probleme der Kostenrechnung ins Blickfeld der Zuhörer_innen rückte. Gastgeber war dabei der Bachelorstudiengang „Betriebswirtschaft & Wirtschaftspsychologie“ an der Ferdinand Porsche FernFH.

In seinem Vortrag führte er unter anderem das Planungsproblem als zentralen Knackpunkt in der Kostenrechnung näher aus. Denn auf der einen Seite stehen die geplanten Größen und auf der anderen Seite die tatsächlichen Kosten. „Man muss sich bewusst sein, dass die Zahlen in der Praxis nicht auf den Cent genau stimmen können. Geplante Kosten sind immer ungenau.“, so der Rechnungswesen-Experte. Deshalb sehe er die Kostenrechnung vor allem in der Lehre als eine enorme Herausforderung, weil diese dort nicht 1:1 simuliert werden könne.

Einen weiteren Aspekt, den Schneider besonders in den Vordergrund rückte, ist das sogenannte Bewertungsproblem: Wie bewertet man die Kosten? Im deutschsprachigen Raum wird mit dem wertmäßigen Ansatz gerechnet, der über den deutschsprachigen Raum hinaus in der laufenden Kostenrechnung überhaupt nicht existiert. International dominiert der pagatorische Ansatz. Dieses Bild zeigt sich auch in einer Studie von Prof. Dr. Wilfried Schneider deutlich: 45 Unternehmen wurden untersucht – nur drei davon rechneten so, wie die deutschsprachige Kostenrechnung-Literatur es vorgibt und wie es auf Universitäten und Fachhochschulen im deutschsprachigen Raum gelehrt und gelernt wird. Der Trend geht also in Richtung pagatorische Bewertung der Kosten, auch unter dem Einfluss internationaler Konzerne: „Cost is the amount paid.“ Deshalb rät Schneider seinen Studierenden dazu, sich in der Praxis immer zu fragen, ob und wie die pagatorischen Ansätze für die Kostenrechnung umgewertet werden.

Learnings für die Praxis

Was passiert, wenn der Mindestumsatz nicht erreicht wird, um die Kosten zu decken? Was macht man im Worst Case? „Interessanterweise wird darüber wenig im Kostenrechnungs-Unterricht gesprochen“, so Schneider. Wenn der Break Even Point, die Gewinnschwelle, nicht erreicht wird, gibt es seiner Erfahrung nach, mehrere Auswege, wie man in der Praxis am besten damit umgeht: So können fixe Kosten reduziert werden, beispielsweise mittels Personalabbau, oder man geht wie in der Autoindustrie vor, wo 60% der Kosten zugekauft werden (Materialien, etc.) und wandelt bislang fixe Kosten zu variablen Kosten um (Outsourcing). Grundsätzlich sollte man sich schon vorab Gedanken über Fixkosten und variable Kosten machen, da für die Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung eines Auftrags variable Kosten maßgeblich sind. „Wesentlich in der Kostenrechnung ist vor allem eines,“ betont Prof. Dr. Wilfried Schneider, „Kosten denken sollte der Mensch, Kosten rechnen kann der Computer.“


Über den Vortragenden
Prof. Dr. Wilfried Schneider, seit über zehn Jahren Lehrbeauftragter an der Ferdinand Porsche FernFH und seit über 50 Jahren an der Wirtschaftsuniversität Wien, ist Experte in den Bereichen Rechnungswesen, E-Learning und Soziale Kompetenz. Unter anderem ist er Mitbegründer des Zentrums für Soziale Kompetenz an der WU Wien sowie der Ferdinand Porsche FernFH und der FH Wiener Neustadt. Sein Lebenslauf reicht von der Mitentwicklung und Leitung des E-Learning Zentrums an der WU Wien über Lehraufträge an der Universität Wien, Graz, Krems, Linz, Bozen/Brixen und St. Gallen bis hin zu Seminaren bei Unternehmen wie Kapsch-Logistics, Wiener Städtische Versicherung, NÖ Landesregierung und Österreichische Bundesbahn. Seine Liste an Publikationen erstreckt sich weitläufig über die Themen Rechnungswesen, Soziale Kompetenz und E-Learning. Mehr über seine Person...