Lernen ein Leben lang – Warum der Studienabschluss nur der Anfang ist

In einer Welt, die sich durch Digitalisierung, Globalisierung und technologische Innovationen stetig verändert, wird lebenslanges Lernen zur Notwendigkeit. Der Weiterbildungsdruck steigt in vielen Bereichen enorm. Prof. (FH) DI Dr. Martin Staudinger, Leiter des Kollegiums der Ferdinand Porsche FERNFH, spricht im Interview über die Herausforderungen und Chancen dieser Entwicklung – und warum traditionelle Bildungswege oft nicht mehr ausreichen.

FERNFH: Lieber Martin Staudinger, „Lebenslanges Lernen“ wird immer häufiger als Schlüssel zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung genannt. Warum ist es aus deiner Sicht gerade heute wichtiger denn je?

Martin Staudinger: Ich weiß gar nicht, ob es wirklich heute wichtiger „denn je“ ist. Ich finde, es war immer schon wichtig – und wird immer wichtig sein.

Was sich aber verändert hat, ist, dass die Halbwertszeit unseres Wissens immer kürzer wird, in manchen Fachgebieten wie jenen von digitalen Technologien und den Auswirkungen ihrer Anwendung sogar ziemlich rasant. Ein klassisches Lernformat wie ein Hochschulabschluss bietet eine gute und wichtige Basis, aber es braucht darüber hinaus auch dynamischerer Formate, um ein (Berufs-)Leben lang am Ball bleiben zu können.

Ein weiterer Aspekt, den ich nicht ganz außer Acht lassen würde, ist die einfache Möglichkeit, sich immer wieder mit neuen Mitlernenden zu vernetzen und auszutauschen, und dabei übrigens allfällige berufliche Konkurrenzverhältnisse außen vor zu lassen.

Herausforderungen für lebenslanges Lernen in einer dynamischen Welt

FERNFH: Die Gesellschaft entwickelt sich etwa durch Digitalisierung, Klimawandel und Globalisierung immer schneller. Welche Entwicklungsbeschleuniger siehst du als die zentralen im Heute? Welche konkreten Herausforderungen ergeben sich daraus in der Gegenwart für lebenslanges Lernen?

Martin Staudinger: Auch da muss ich anfangs ein wenig widersprechen: Digitalisierung, Klimawandel und Globalisierung entwickeln sich tatsächlich sehr schnell, die Gesellschaft hinkt da aber leider hinterher. Und das ist genau das Problem: Dass wir als Gesellschaft insgesamt, aber auch als Einzelne*r den Entwicklungen immer mehr hinterherhecheln und uns von der Schnelllebigkeit der Welt dazu drängen lassen, Entscheidungen zu treffen, ohne genau zu verstehen, was deren Auswirkungen sind.

Heute glauben wir ja, dass es einen Hoffnungsschimmer gibt, wenn wir uns auf „die KI“ verlassen. Ich bin da nicht so sicher. Was hier heute geschafft wird, ist schon ziemlich beachtlich, aber es braucht auch Menschen, die bereit sind, beharrlich dazuzulernen, wie wir letztlich zu guten, nachhaltigen, Lösungen für die Zukunft kommen. Als Hilfsmittel sollte man da KI auf jeden Fall mitverwenden – keine Frage. Aber solange sie ihr Verständnis über die Welt nur aus der Vergangenheit und ein bisschen Gegenwart generieren kann, wird sie immer nur nachdenken können – aber nicht vordenken. Wenn wir aber die Zukunft gestalten wollen, braucht es Vordenker*innen.

Wie moderne Lehrangebote den Weiterbildungsdruck reduzieren können

FERNFH: Laut der „Decoding Global Talent“ Studie gehen bereits 70% der Arbeitnehmer*innen davon aus, dass sie sich aufgrund von digitalen Technologien und der damit verbundenen Veränderungen stärker weiterbilden müssen. Wie können moderne Lehrangebote diesen dadurch möglicherweise entstehenden Weiterbildungsdruck in eine unterstützende Lernkultur verwandeln?

Martin Staudinger: Wichtig ist, dass es einen niederschwelligen Zugang zu Lernangeboten – auch auf hohem inhaltlichem Niveau – gibt. Abschlüsse, für die wir akademische Grade vergeben, sind wichtig und haben mit gutem Recht auch ihre jeweiligen formalen Zugangsvoraussetzungen. Aber in gewisser Weise sind Zugangsvoraussetzungen und die ziemlich unflexible zeitliche Gestaltungsmöglichkeit im tertiären Sektor auch behindernd, zum Beispiel die übliche Vorgangsweise, dass man ein Studium in einem Zug absolvieren muss.

Wir sprechen heute ja viel über Diversität und dass wir unter anderem Lernbedingungen möglichst so gestalten, dass sie dieser Diversität gerecht werden. Da müssen wir noch viel offener werden und auch unterschiedliche Berufserfahrungen und ‑anforderungen als Diversitätsmerkmal sehen, oder unterschiedliche Lebensphasen und -bedingungen, unterschiedliche Mobilitätsmöglichkeiten etc. Und dann schauen, ob die vorherrschenden Lehr- und Studienformaten dem auch gerecht werden, oder ob wir nicht da mit unseren Formen manchmal eher Barrieren vor den Hochschulen aufbauen. Ich weiß nicht genau, wie das Gegenteil von „be-hindern“ heißt, aber wir sollten jedenfalls alles daransetzen, mehr zu „ent-hindern“.

Die Vision von zukunftsfähigem Lernen

FERNFH: Was macht ein Bildungsangebot aus, das nicht nur auf aktuelle Anforderungen reagiert, sondern auch zukünftige Entwicklungen antizipiert?

Martin Staudinger: Hochschulen sind sehr abschluss-orientiert – und müssen es teilweise auch sein, weil sie unter anderem daran gemessen werden, wie viele Abschlüsse sie produzieren. Aber nur weil es „Abschluss“ heißt, ist es nicht so, dass man damit die Lernphase des gesamten Lebens abschließt.

Auch wenn bei Studierenden (und manchen Lehrenden) vielleicht oft ein gegenteiliger Eindruck entsteht, aber: Während und am Ende eines Studiums steht nicht so sehr die Beantwortung von Fragen im Mittelpunkt, sondern die Fähigkeit, neue Fragen zu stellen. Wenn Bildungsangebote das stärker in den Fokus nehmen, dann entsteht kein „Weiterbildungsdruck“, sondern ein geradezu natürliches Bedürfnis, immer wieder weiter zu lernen. Und wer weiß: Vielleicht streichen wir ja eines Tages Begriffe wie „Abschlussprüfung“ aus unserem Hochschul-Glossar und sehen einen „Studienabschluss“ nur als vorübergehenden Zustand.

Letztlich sollte es mehr Möglichkeiten geben, mit seinen Fragen zur Hochschule zu kommen, auch mit Einzelfragen, und nicht nur für ganze Studienprogramme.

FERNFH: Wie sieht deine Vision für lebenslanges Lernen aus, und welche innovativen Ansätze verfolgt die FERNFH bereits, um diese Vision zu verwirklichen? Welche Rolle spielen die sogenannten Micro Credentials dabei?

Martin Staudinger: Meine Vision ist, dass tertiäre Bildung bis hin zu einem formalen Abschluss von vornherein als lebenslanges Unterfangen angelegt werden kann und Hochschulen Studienoptionen schaffen, die das ermöglichen. Zum Beispiel Teile eines Studiums in kleinen „Häppchen“ anbieten, die sich leichter in Zeit- und Lebenspläne einbauen lassen und die es ermöglichen, sich weiterzubilden, ohne eine berufliche Karriere groß unterbrechen zu müssen.

Ich weiß, dass das im Moment im Hochschulsektor teilweise noch große Skepsis hervorruft, aber ich bin sicher, wir werden schließlich „stapelbare“ Formate haben, wo wir mehrere kleine absolvierte Einheiten zu größeren Qualifikationen kombinieren können. Auch unter Hinzunahme von nicht-formalen und informellen Lernsettings.

Es wird immer „klassische“ Studierende geben, aber auch eine große Gruppe von Lernenden, die ihre Bildungsziele Schritt für Schritt vorantreiben wollen, ohne von vornherein einen vollständigen Abschluss innerhalb von zwei oder drei Jahren anzustreben.

Aktuell geben die Micro-Credentials, wie wir sie an der FERNFH anbieten, eine gute Möglichkeit, relativ schnell neue Fähigkeiten zu erlernen oder schon vor längerer Zeit erworbene aufzufrischen. Die Initiative zu einer Teilnahme an einem Micro-Credential kann dabei entweder von den Lernenden selbst kommen, aber auch von Unternehmen, die Qualifikationslücken in ihrem Team schließen wollen. In jedem Fall steht durch die Micro-Credentials Hochschulbildung einem größeren Personenkreis offen als bisher; auch denjenigen, die bisher nicht die Gelegenheit hatten, Lehrveranstaltungen einer Hochschule zu besuchen.

Persönliche Tipps für lebenslanges Lernen

FERNFH: Wenn du einer bildungsinteressierten Person drei Tipps geben müssten, um in einer schnelllebigen Welt am Ball zu bleiben – welche wären das?

Martin Staudinger: Erstens: Erstelle eine Bucket-List, was du noch lernen willst. Das kann ein Fachgebiet sein, über dass du dich in der Vergangenheit nicht „drübergetraut“ hast oder das du zwar in Betracht gezogen aber immer aufgeschoben hast. Lass dich auch nicht davon abbringen, etwas auf die Liste zu schreiben, woran du bei einem früheren Versuch vielleicht gescheitert bist.

Zweitens: Es geht nicht nur um gerade aktuelle Karrierepläne. Halte auch an Ideen fest, die andere für unsinnig oder nicht zukunftsträchtig halten. Heute eine KI-Ausbildung zu beginnen, nur weil das Thema in aller Munde ist, ist kein garantierter Weg für eine berufliche Verbesserung oder eine nachhaltige Chance am Arbeitsmarkt (auch wenn die Wahrscheinlichkeit gerade groß ist). Und es gibt auch keine Garantie, dass es dir Freude machen wird, dich morgen beruflich mit den Top-Themen von heute zu beschäftigen.

Und drittens: Überlege dir, wieviel Zeit du aufwenden kannst. Auch wenn du nur mit einem kurzen Programm Einblick in ein bestimmtes Thema erhalten willst, musst du eine halbwegs sichere Vorstellung dafür haben, dass sich das zeitlich ausgehen wird. Die gute Nachricht dabei aber ist: Digitale Formate der Wissensvermittlung erlauben einen hohen Grad an zeitlicher Selbstbestimmung für die Lernenden. Bis hin zu einem lebenslangem Lernen.

Lebenslanges Lernen leicht gemacht

Die Ferdinand Porsche FERNFH bietet flexible und innovative Bildungsformate, die ideal für Berufstätige, viel Beschäftigte und „lebenslang Lernende“ sind:

  • Micro-Credentials: Kompakte Lerneinheiten, die sich individuell kombinieren lassen und schnell umsetzbares Wissen vermitteln.
  • Lehrgangs- und Zertifaktsabschlüsse: Weiterbildungsangebote, die sich den zukunftsträchtigen Kompetenzfeldern widmen.
  • Flexibles Studienangebote: BA- und MA- Studiengänge im flexiblen Studienmodell. Studieren aus der Ferne mit zeitlicher Flexibilität und individueller Betreuung.

Veranstaltungstipp zum Thema „Lebenslanges Lernen“
Micro Credetials Infoabend mit Prof. (FH) DI Dr. Martin Staudinger

Termine:
Di, 28.01.2025 | 18:00 via MS Teams
Mi, 25.06.2025 | 18:00 via MS Teams

 

 

Autor*in: Katharina Bauer, Marketing und Kommunikation der FERNFH
Rückfragehinweis: muk@fernfh.ac.at